Hydrogel hält Impfstoffe am Leben

Viele Impfstoffe m¨¹ssen w?hrend des Transports st?ndig gek¨¹hlt werden, damit sie wirksam bleiben. Ein internationales Forschungsteam unter Federf¨¹hrung der ETH Z¨¹rich hat nun ein spezielles Hydrogel entwickelt, das die Haltbarkeit von Impfstoffen auch ohne K¨¹hlung massiv verbessert. Die Erfindung k?nnte Leben retten und die Kosten von K¨¹hlketten senken.

Künstlerische Darstellung der Gele, die einen viralen Impfstoff einkapseln
K¨¹nstlerische Darstellung der Gele, die einen viralen Impfstoff einkapseln. (Bild: ETH Z¨¹rich / Jonathan Zawada)

Beinahe die H?lfte aller produzierten Impfstoffe landen im Abfall. Grund daf¨¹r sind oft logistische H¨¹rden beim Transport in die verschiedenen Regionen der Welt. Die meisten Impfstoffe m¨¹ssen von der Herstellung bis zur Verabreichung in den Arm von Patient:innen ununterbrochen gek¨¹hlt werden. Und die Temperatur entlang einer K¨¹hlkette konstant zu halten, ist bereits unter optimalen Bedingungen ein Kunstst¨¹ck. In Subsahara-Afrika und anderen L?ndern des S¨¹dens ist dies jedoch kaum machbar, erschweren doch zum Beispiel die begrenzte Verkehrsinfrastruktur und die unzuverl?ssige Stromversorgung das Aufrechterhalten der K¨¹hlkette und damit die Bereitstellung intakter Impfstoffe.

Wissenschaftler:innen der ETH Z¨¹rich und Unternehmer des Start-ups Nanoly Bioscience aus Colorado haben deshalb eine sichere, vielseitige Plattform entwickelt, um die thermische Stabilit?t von Impfstoffen zu erh?hen. Ihr Ziel ist, die Verbreitung von intakten Impfstoffen massiv zu verbessern und die Kosten von K¨¹hlketten zu senken.

Wie Tupperware f¨¹r Proteine

?Stellen Sie sich das wie ein Ei vor?, erkl?rt Bruno Marco-Dufort, Doktorand im Labor f¨¹r Macromolecular Engineering von ETH-Professor Mark Tibbitt. ?Bei Raumtemperatur oder im K¨¹hlschrank beh?lt das Ei seine z?hfl¨¹ssige Eiweissstruktur bei. In kochendem Wasser oder in der Bratpfanne ?ndert sich diese jedoch komplett.?

?hnlich verh?lt es sich mit den Proteinen in einem Impfstoff: Sobald sie bestimmten Temperaturen ausgesetzt sind, verklumpen sie. Diese Verklumpungen lassen sich selbst dann nicht r¨¹ckg?ngig machen, wenn der Impfstoff wieder in die K¨¹hle kommt. ?Man kann ein Ei auch nicht ¡®entkochen¡¯?, betont Marco-Dufort.

Bruno Marco-Dufort
?Die meisten Impfstoffe sind empfindlich gegen Hitze und K?lte. Dies ist eine grosse H¨¹rde f¨¹r globale Impfkampagnen, da der Aufwand f¨¹r die Impfstoffverteilung und die Verwaltungskosten die Produktionskosten ¨¹bersteigen.?
Bruno Marco-Dufort
Bruno Marco-Dufort

Der Forscher und sein Team entwickelten deshalb ein neuartiges Hydrogel, das vor Kurzem in der Fachzeitschrift Science Advances vorgestellt wurde. Das Gel basiert auf einem biokompatiblen, synthetischen Polymer namens PEG. Dieses bildet eine Schutzh¨¹lle um sehr grosse, komplexe Molek¨¹le, wie Proteine in Impfstoffen, Antik?rper oder solche in Gentherapien.

Die Verpackung funktioniert wie eine molekulare Tupperware, die die Proteine einkapselt und voneinander getrennt h?lt. Dadurch k?nnen Proteine gr?sseren Schwankungen in einem h?heren Temperaturbereich standhalten. Anstelle des herk?mmlichen Bereichs von zwei bis acht Grad Celsius, der in einer K¨¹hlkette eingehalten werden muss, erm?glicht die Verkapselung, Proteine in einem Bereich von 25 bis 65 Grad Celsius aufzubewahren. Um die eingekapselten Substanzen am Einsatzort unkompliziert freizusetzen, kann dem Hydrogel eine Zuckerl?sung beigegeben werden.

Verwendung in der Krebsforschung

Neben der Steigerung der Haltbarkeit von Impfstoffen liegt der Nutzen dieser neuen Hydrogel-Technologie in der potenziellen Reduktion von Kosten im Zusammenhang mit der K¨¹hlkette. ?2020 betrug der Gesamtmarkt f¨¹r K¨¹hlkettendienstleistungen von der Herstellung bis zum Vertrieb 17,2 Milliarden Dollar, und es wurde mit einem weiteren Anstieg gerechnet?, sagt Marco-Dufort. Steigende Kosten k?nnen schwerwiegende Folgen f¨¹r die ?ffentliche Gesundheit und das ?ffentliche Vertrauen haben, wenn Impfstoffe ¨¹ber eine beeintr?chtigte K¨¹hlkette zum Zielort gelangen.

?Die meisten Impfstoffe sind empfindlich gegen Hitze und K?lte. Dies stellt eine grosse H¨¹rde f¨¹r globale Impfkampagnen dar, da der Aufwand f¨¹r die Impfstoffverteilung und die Verwaltungskosten die Produktionskosten ¨¹bersteigen?, erkl?rt Marco-Dufort. Will man die K¨¹hlkette verbessern und st?rken, seien grosse Investitionen erforderlich. ?Die Einkapselung ist hingegen eine kostensparende L?sung, sodass die Gelder daf¨¹r eingesetzt werden k?nnen, mehr Impfstoff zu produzieren ¨C was mehr Leben retten k?nnte.?

Vor den Forschenden liegt allerdings noch ein weiter Weg. Damit das Hydrogel tats?chlich f¨¹r den Transport von Impfstoffen eingesetzt werden kann, braucht es mehr Forschung sowie Sicherheits- und klinische Studien. Eine unmittelbare Anwendung ist dennoch m?glich, und liegt zum Beispiel im Transport von hitzeempfindlichen Enzymen f¨¹r die Krebsforschung oder von Proteinmolek¨¹len f¨¹r die Forschung im Labor.

L?sung f¨¹r globales Problem

W?hrend neue Biotechnologien und Kosteneinsparungen einen Schritt in die richtige Richtung sind, bestehen bei der L?sung der globalen Probleme im Zusammenhang mit einer gerechten Impfstoffverteilung noch immer enorme logistische, politische und sozio?konomische Herausforderungen. Trotzdem ist Marco-Duforts Motivation ungebrochen. Seine Kindheit in der Demokratischen Republik Kongo hat ihn von der Notwendigkeit von Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten ¨¹berzeugt, nicht nur gegen Covid-19, sondern auch gegen Kinderl?hmung, Meningitis und Ebola. Er ist sich der enormen Herausforderungen bewusst, denen die Menschen in Subsahara-Afrika beim Zugang zu Impfstoffen gegen¨¹berstehen, wo verschiedene Infektionskrankheiten nach wie vor weit verbreitet sind.

Die Arbeit des gesamten Forschungsteams um Tibbitt und Marco-Dufort ist auch ein grosser Fortschritt in der Entwicklung von Impfstoffen und ein Hoffnungsschimmer f¨¹r eine positive gesellschaftliche Entwicklung. Selbst eine kleine Verbesserung der Wirtschaftsfaktoren, die die Verteilung von Impfstoffen und Medikamenten und die biomedizinische Forschung beeinflussen, kann eine grosse Wirkung entfalten.

Literaturhinweis

Marco-Dufort B, Janczy JR, et al. Thermal stabilization of diverse biologics using reversible hydrogels, Science Advances, 5. August 2022. DOI:externe Seite10.1126/sciadv.abo0502

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